Mit 13 bekam ich dann ein eigenes Pferd. Der totale Mädchentraum. Grottenbrav und doch ein wenig eigenwillig noch dazu bildhübsch. Es war Liebe auf den ersten Blick. Er hieß Potz oder Potztausend und war zwei Jahre. Er war noch recht klein und etwas
zurückgeblieben, von daher ging er sozusagen mit einem anderen Pferd mit, das als Springpferd verkauft worden war. Der Witz war, dass Potz, wie wir ihn meist nannten, später ein super Springpferd wurde und bis Klasse M erfolgreich.
Für mich war dieses Pferd die totale emotionale Erfüllung, er spielte mit mir und meiner Schwester, als er drei war, setzten wir uns einfach auf seinen Rücken und ritten mit Halfter durch die Gegend, sehr zum Schrecken der Erwachsenen. Aber es war klar, dass Potz nie auch nur einen kleinen Satz gemacht hätte. Es war einfach ein Spiel. Wir spielten reiten und er spielte mit. Wenn ich dachte, ich müsste ihn trainieren und auf dem eingezäunten Reitplatz über Cavalettis springen lassen, dann sprang er einfach über die 1.20 Meter hohe Umzäunung und stellte sich dann draußen hin und graste. So ganz „normales“ übliches Training, wie über Cavalettis traben fand er irgendwie doof. Auch so „normal“ am Zügel zu gehen war nicht sein Ding. Er lief lieber mit etwas erhobenem Kopf durch die Gegend. Im Gelände konnte man sich auf ihn 100% verlassen. Bloss beim Springen, da nahm er die Hindernisse nicht immer so ganz ernst. Einmal wollten wir im Wald über einen recht dicken Baumstamm springen. Von der Höhe für ihn kein Thema. Doch er probierte aus, wie das ist, wenn man da mit einem Fuß auf dem Baumstamm aufsetzt. Da lagen wir dann beide im Wald. Zum Glück war nichts passiert. Er hatte schließlich nur mal was ausprobiert. Man konnte ihm das nicht übelnehmen.
Leider wurde er im Stall verletzt, bekam eine Phlegmone, die nicht entdeckt wurde und sich dann ausbreitete.
So musste er 6 Wochen in der Box stehen, wurde gebliestert. Es blieb ihm immer ein wenig dickes Bein, das er meist entlastend hochstellte.
Seine Liebe zum Springen blieb ihm dennoch. Meine Eltern kauften mir noch ein Dressurpferd und dann wurde Potz verkauft, da er nicht so gut Dressur ging. Ich hab mich nicht dagegen gewehrt und es hat mir das Herz gebrochen und jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, treibt es mir die Tränen in die Augen. Die Liebe zu diesem Pferd und das Gefühl, meine Liebe verraten zu haben, das blieb. Ich habe wohl oft, zu oft „vernünftig“ gehandelt und bin nicht meinem Herz gefolgt. Von daher war dies ein sehr einschneidendes Ereignis, das mir etwas beibringen sollte, so wie die jahrelangen Träume, die ich immer wieder hatte, von Potz, der in einer Box in einem Stall stand und den ich dort vergessen hatte. Im Traum suche ich ihn, gehe zu der Box, oft werden die Bilder dann verschwommen, wie im Nebel. Wenn ich ihn rausholen will oder reiten will, wache ich auf.
Potz und ich nahmen an einem A-Springen teil (mein erstes und letztes Springen) Er sprang als sei es ein M-Springen und ich hatte als wenig erfahrene Springreiterin Mühe, seinen riesigen Bewegungen zu folgen.
Ein Zuschauer war so beeindruckt von seinem Springvermögen, dass er ihn sofort kaufen wollte.
Doch wollte ich ihn auf keinen Fall verkaufen. Eine Schleife hatten wir uns aber geholt.
Mein zweites Pferd - Wolko, ein sehr großrahmiger Hannoveraner Wallach.
Es war nie leicht, ihn zusammen zu stellen.
Diese Träume hatten eine tiefe Bedeutung, das war mir klar. Pferde hatten zu meinem, Leben gehört und drängten sich in der Nacht immer wieder in mein Leben. Insbesondere, weil ich sie nicht in mein Leben integriert hatte. Von daher war mir klar, dass dies für mein Leben ein wesentlicher Punkt sein sollte. Insbesondere auch im Alltag.
Ich gelangte immer mehr zu der Erkenntnis: vor lauter Arbeit hatte ich vergessen meinem Herzen zu folgen.
Die negative Seite des Reitsports
Ich selbst bin jahrelang in einem Dressurstall geritten. Ich möchte gar nicht ins Detail gehen, da alles, was ich erlebte, in dem Buch von Larissa Hartkopf "Was Sie über Reitsport und Turnierpferde wissen sollten: Aussteiger decken auf" dargestellt ist.
Ich möchte auch nicht verschweigen, dass ich teilweise selbst so geritten bin und dass ich schließlich für einige Zeit aufhörte zu Reiten, da ich diese Art des Umgangs mit den Pferden nicht unterstützen wollte.
Die Pferde wurden entweder mit Kandare oder mit Trense und Schlaufzügel geritten. Reiten auf einfache Trense war die absolute Seltenheit. Um die Gerte „effektiver“ einzusetzen, wurden häufig zwei wirklich sehr lange Dressurgerten verwendet.
Die Pferde wurden ganz oft so lange in Biegung und Stellung gebracht, bis sie klatschnass waren und am nächsten Tag sicherlich unter erheblichem Muskelkater litten, zumal sie nach der Tortur mit Abschwitzdecke in die Box kamen und sich nicht die angespannten Muskeln vertreten konnten. Das übliche Boxenmaß war 3 x 3.30 cm
Einen Menschen mit Gewalt in eine bestimmte Körperposition zu zwingen und dann zu erwarten, dass er elastisch wird, das macht niemand. Ein Pferd permanent in eine bestimmte Position zu zwingen und Durchlässigkeit zu erwarten, das war und ist auch heute häufig noch die übliche Trainingsmethode.
Menschen, deren Leben von Zwang, Unterwerfung oder dem Willen nach Macht und Erfolg geprägt sind, neigen dazu, das Muster des Lebens, in dem sie selbst drinstecken auch auf ihre Trainingspartner – in diesem Fall die Pferde – zu übertragen.
Die Pferde, ob sie wollen oder nicht – sind dann genau diesen zwanghaften Handlungsstrukturen unterworfen und sklavengleich – dem Mensch ausgeliefert.
Weiterführende Literatur hierzu:
Dr. med. vet. Gerd Heuschmann "Finger in der Wunde. Was Reiter wissen müssen, damit ihr Pferd gesund bleibt." Schondorf 2008, WuWei Verlag
Larissa Hartkopf "Was Sie über Reitsport und Turnierpferde wissen sollten. Aussteiger decken auf", Reichel Verlag
Heike-Christiane Neder M.A.
Hof Herrenberg
Hof Herrenberg 1
64753 Brombachtal